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Haller’s Leben in Zeitepochen

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Die Bombardierung Dresdens und Haller’s Rettung vor der Exekution

„Liane war sehr krank. Sie hatte eine Stirnhöhleneiterung. Und war am 13 Februar 1945 zum letzten Mal zu Dr Sommer zum Durchstechen Nasen- und Stirnscheidewand bestellt. Es war ein strahlender Frühsommertag. Die Sonne schien, die Vögel sangen. Wir gingen zu Fuss den langen Weg in die Stadt zur Behandlung, nachher anschliessend in die Fabrik. Ihre Schwester Lo war dort. „Guck mal, Liane, ich schenke Dir diese Handtasche, die habe ich für Dich gemacht.“

Am gleichen Tag kommt die Gestapo zu Liane - ich war gerade nicht da - und wollten mich verhaften. Ich hatte mich vom Volkssturm gedrückt. Das war gleichbedeutend mit Desertieren. Am 14. kämen sie wieder. Ich sollte mich bereithalten. Aber da hatten die Brüder anderes zu tun. 100 000 Tote – der Angriff hat mir das Leben gerettet.

Die Gräfin Hallwyl, Mutter zweier Söhne mit denen ich befreundet war, ich sagte wohl schon, unsere Väter waren im gleichen Regiment, wohnte über uns auf dem sogenannten „Weissen Hirsch“. Der ältere Sohn hatte eine Farm in Afrika, der jüngere hatte in der Schweiz. Die Gräfin Hallwyl hatte einen deutschen und schweizer Pass. Durfte also ausreisen. Ich besuchte die alte Dame öfters, war auch öfters zum Essen eingeladen. Gräfin Hallwyl war auf und an in die Schweiz Anfang Februar zu gehen. Ich musste noch zweimal für sie auf die Gestapo, um Formalitäten zu erledigen. Ich meinte, sie sollte am 13. Februar fahren und bedrängte sie. Dir Front kam immer näher und es war fraglich, ob man noch aus Dresden heraus kam. Ich bedeutete ihr, sie solle am Dienstag – es war Faschingsdienstag abends ¾ 10 h ab Hauptbahnhof fahren. Ich wollte sie zum Zug bringen. Die Gräfin wollte absolut nicht auf mich hören. Sie weigerte sich strikt, an dem Tag zu fahren. Wir haben uns heftig gestritten. „Was fällt Ihnen ein, über mich zu bestimmen, ich fahre nicht.“ Kurzum, die Fahrt wurde auf ein späteres Datum verlegt. Grund: ein General wollte in den nächsten Tagen das Haus übernehmen. Zu dem bin ich zwecks Übergabe noch hingefahren. Am 13. Februar abends ¾ 10 Uhr sollte sie, wie gesagt, fahren. Genau zu dem Zeitpunkt kam der Angriff. Der Bahnhof wurde völlig zerstört. Am gleichen Tag die zweite Lebensrettung.

Abends 10 Uhr Liane lag schon im Bett. Sirenengeheule. Radio: massierte Kampfverbände von Westen, Nordwesten, Südwesten und Norden nähern sich der Stadt. „Entfernung 30 km“. Kurz darauf „Entfernung 20 km“. Da bin ich raus und da waren sie auch schon. Der Himmel taghell erleuchtet, rosa wie Himbeerlimonade, tausende von „Christbäumen“ und dann gings los mit einem pfeifenden Geräusch. Wir hatten keine Flakabwehr. Über Dresden wurde ja genug geschrieben.

Wir wohnten mit unserem Atelier etwas ausserhalb An der Berglehne. Über uns war ein grosses Plateau. Schräg darüber das Schloss vom sächsischen Kronprinzen. Am nächsten Morgen habe ich Liane in einem kleinen Leiterwagen auf das Plateau hinauf gefahren. Ich schnappte mir zum Helfen einen Unteroffizier. Wir brachten Liane auf dem Plateau in eine Unterkunft. Ich musste draussen stehen bleiben auf ungedecktem Feld. Blitzartig – die Sirenen versagten, kam um 10 Uhr der nächste Angriff. Ein Herr mit einem prachtvollen schwarzen Rapphengst vom Gestüt Graditz war abgesessen und in einem Haus verschwunden. Er bat mich, das Tier zuhalten. Das Pferd und ich fingen nun an zu tanzen – aber wie! Ich habe ihn nicht losgelassen. Die diesesmal kleinen, sogenannten Splitterbomben, von denen viele Blindgänger waren, kullerten auf uns und buchstäblich um uns herum.

Am 15. Februar bin ich hinauf ins Schloss zur königlichen Hohheit – eigentlich war er jetzt der sächsische König. Ich wurde von ihm und seiner Frau, die geborene Thurn und Taxis empfangen. Ich bat für Liane um Unterkunft. Denn im Atelier zog es mörderisch, alle Fenster waren hin. Das ging nicht. „Wir erwarten alle unsere Verwandten aus Schloss Hubertusburg (Schlesien).“

Am nächsten Tag, 16. Februar, ging ich die sogenannte Plattleite, ein Serpentinenweg mit Aussichtspunkten an jeder Serpentinenecke, den Berg hinauf. Dresden brannte bitterlich bei einem unheimlichen Sturm. Ziemlich weit oben an der Loschwitzer Plattleite stand ein grossgewachsener Herr alleine und unbeweglich. Es war Prinz Friedrich Christian, also der eigentliche König nach 1918. Er wandte sich sofort an mich: „Wie geht es Ihrer Frau?“ „Danke Hohheit, besser“. Eine halbe Stunde standen wir da und erlebten den Untergang Dresdens. Das ist meine letzte Erinnerung an zu Hause.”