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Ludwig Haller – Habilitation

Die vorliegende Schrift wurde nach 1945 leicht überarbeitet

Zur Tonbandaufzeichnung: Haller liest seine Habilitationsschrift

Über Ontoeidetik und dem Entstehen der Kunstform in der Bildkunst

Seinsdenker haben seit etwa zweieinhalb Jahrtausenden von sich reden gemacht.

Seinsseher hingegen gibt es weitaus länger – sie sind schon gute zwei Jahrzehntausende alt; nur dass von ihnen niemals viel mehr als nur andeutend gesprochen worden ist. Als „Urschauer” und Bildmenschen in einer noch musischen Kultschicht eingebettet und daher von unserem Bewusstsein abgedrängt, bleiben sie vorwiegend ungeschichtlich.

Weil durch Texte kaum nachweisbar, wurde deren Existenz selbst oftmals geleugnet, auch die Geistesgeschichte verschweigt sie meist, und streng historiologisch sind sie noch heute gar nicht da. Allein solch einheitliches Anlegen einer Bewusstseinssperre wird sich für die Zukunft nicht rechtfertigen lassen.

Hauptsächlich Ethnologen waren es, die in erstaunlich genauem Erkennen des frühen geistmässigen Vermögens den seherischen Menschen der Prähistorik wieder auffinden konnten.

So neigt man zu der Ansicht, dass gar nicht mit den Denkern und Ontologen, sondern mit jenen Mantikern, Mystikern, Eidetikern – oder wie wir sie auch immer nennen mögen – und also mit denen, die sich im Lichte des Seienden sehen, in Wahrheit die Geschichte des Geistes begann.

Bleibt zwar die Geistnatur stets ontisch-ahistorisch, ist dennoch das so anschaulich „dichtende Gemüt” jener Leute historisch bindend in dem Sinn, als es das apriorische Gewissen in den Stand setzt, frühzeitig die Wirklichkeit des Menschen auf sein konstituierendes Wesen hin abzuschätzen.

Hypermnestisch motiviert wird ihnen sogar als Sonderbegabung eine „primäre Aktionsschicht” zugedacht, ein ganzes epoptisches Organon sozusagen, welches direkt dem Personkern anliegt, ohne auf dem Umwege des Unbewussten, und also nachträglich, sich rematerialisieren zu müssen.

Das ist jene so überaus praktische Sehintelligenz, die wir beim Primitiven bewundern können, wenn es ihm gelingt, in der Subsistenz seiner Erscheinung in geistgebundener Form sich zu sehen und – fast noch bedeutsamer als dieses metaphysische Faktum – seinen intellectus intuitivus selbst und als erste Wirklichkeit zum p h ä n o m e n a l e n Gegenstand allgemeiner Erfahrung zu machen.

Es ist also jenes von uns so gern umgangenes Visualdenken der Primitiven, welches wir Seinssehen, Ontoeidetik, nennen möchten und welches, wie wir hoffen, sich dem Sinne nach wie in der Methode auf ein Einheitsprinzip hinführen, auf einen einzigen Erfahrungsgehalt reduzieren lässt.

Und somit dann: was für den Denker im Begriffssystem als Verstehens– wie Verständigungsmittel methodengerecht sich vorweisen muss, hat für den Seher und Bildmenschen in dem ihm adäquaten Ermöglichungsgrund das unreflektierte Seh- und Zeichenbild, analog seinem Zustand von realem „im Bilde sein”, abzugeben: und also wird jener frühe seherische Mensch gestalthaft bildnerisch – und zwar bei Zeitenthobenheit – in actu entis sich betätigen müssen.

Dem Seinseher ist das ontische Bild so zugeordnet wie dem Seinsdenker das ontisch geprägte Wort.

Aber Anschauung steht vor dem Wort und dem Begriff, und affektives Anschauen ist viel mehr als ein blosses Betrachten; es ist gleich selbst ein „Anschauung s e i n “, und solches Vermögen übersteigt jede blosse Methode – denn es gibt nun einmal signierende Augenblicke, die unser Bewusstsein bedeutsam und das heist: ontisch treffen.

Kants antimetaphysische Einstellung und daher seine Meinung „über manches Problem nicht genügend gut sprechen zu können” soll uns nicht hindern, den Seinsseher so herauszustellen wie es ihm gebührt und der ideentypisch sich gebenden Wissensform als sehr vermutbar erster Kultur auch einen ersten Platz einzuräumen, der wieder metaphysisch sein muss.

Das „positiv zeitliche Gesetz” als ein hauptsächliches Lehrstück unseres Bildungsgutes, durch welches Alles mit Nichts vertauscht werden kann, bleibt ein denkbar ungutes Kapitel neuerer Auffassung von Geschichte.

Es ist das wohl auffälligste Paradox unserer Zeit dass wir mit der sogenannten Kritik historischer Vernunft uns an der durchaus übergeschichtlich sich legitimierenden Geisteskultur vergriffen, indem wir die ontisch-metaphysischen Perioden kurzerhand als die „Zeit der Unwissenheit” betrachten und dafür in den Sog des Historismus gerieten, noch ehe wir uns recht umsehen konnten.

Die Alten hatten einen Gott der Zeit, gänzlich ausserhalb der Geschichte, als Dauerwesen aufgefasst.

Aufsammelnd wissenssoziologisch war das späte Abendland, hingebungsvoll nach absolutistischem Vorbild orientiert, der historischen Selbstobjektivierung zugewandt. Aber der Optimismus über den unabhängig waltenden „Gott der Geschichte” als Organisationsfaktor und die Freude über das äternisierte Weltmodell eines unaufhörlich wechselnden Materialsujets hielt nicht lange an.

Der dialektisch nun folgende Existenzialpessimismus, mit der Zeit als Gott, ist die neue Autorität.

Doch die menschliche Freiheitsprobe ist nur zu bestehen, wenn wir vom ontischen Geistsein her die Gegenbetrachtung anstellen.

Nach allem, was wir seit Menschengedenken hätten lernen können, ist es mit der natura prius – Synthese von Geisteskultur so:

            Am Anfang der gezählten Zeit lebt der redende Gott;
            Mit ihm wird der Mensch geschichtlich.

            Zu einer Zeit, als die Zeiten sich nicht änderten, wirkt der Bildnergott.

In dessen nächster Nähe als Hypo-stase, Sub-stanz und darunter stand der Seinsseher in Person.

Sein hyparchisches Wissen in Wesen einzukleiden legt ihm – hochdramatisch – eine schier unschätzbare Disziplin auf: die Somapraktizierung.

Als mimesis tes praxeos ist dies die vielgesuchte disciplina archaica.

Hieran knüpft sich: Frühkulturen sind Somakulturen. Und die „Somazeit” ist die mythische Zeit, sie ist jene, welche überzeitich ist.

Und jetzt hat es rein beobachtungsgemäss etwas Eigentümliches:

        Ritualgesellschaften, die kein Soma kennen, haben keinen Mythos.

        Völker, die weder Soma noch Mythos besitzen, entwickeln keine Ontologie.

Da aber auch mythenfreie Gemeinschaften eine Seinslehre dringend brauchen, wird sie von einer Somakultur herzugeholt, wird bei einer solchen zu eigenem Nutz und Frommen ausgeborgt. Durch Rezeptionen, die gut verfolgbar sind, wird der bestehende Nachholbedarf gedeckt.

Jedoch zu einer Ausschöpfung des i m a g i n i e r e n d e n Vermögens gelangt man so nicht, weil bei solcher Übernahme das denkerische Instrumentarium allein gleich herrscht. So ist es denn leicht zu verstehen, dass trotz allem guten Willen g e s t a l t e n d e Bildkräfte fehlen. Anscheinend ist das grundsätzlich.

Das gestalterische Movens zu zeigen, dieses selbst als eine sehr ursprüngliche, als eine notwendige, weil intelligible Erfahrung in realer Identität mit dem Formalobjekt zu erkennen; diese Ordnung, da zu geistiger Lebensform gehörig, als übersinnliches Leitungswissen in Beziehung zu einem immergültigen Prinzip zu sehen – und aber auch um die Geschichte zu grösserer Freiheit wachzurufen, diene diese Abhandlung.

Für das Selbstverständnis der Geisteskultur ist demnach vorzuschlagen, sich auch einmal intensiv mit der Wahrnehmungswelt des seherischen Menschen abzugeben, insofern, als nicht ohne Grund eine recht vollgültige Artweise hinter jener uns längst entschwundenen ersten vorhistorischen Person angenommen werden muss.

Die Person selbst ist hervorzuheben. Der Auszeugegrundsatz wäre sodann:

            Nicht das “Menschenbild” sondern der

            B i l d m e n s c h ist zu spezifizieren.

Für uns ergäbe sich ein offensichtlicher Gewinn. Denn nicht nur der frühe Mensch, sondern auch der späte manifestiert sich vorab völlig eindeutig phänomenkausal, und unsere sogenannte Urgrundsicht beruht auf den Phänomenen, die in der Intention final sich verhalten und demnach von allem Anfang her identitätsbezogen personell sind.

Wir sollten abkommen von jener angemassten Überlegenheit, die nur dem denkenden Denker die Lösung geistiger Probleme zuweist, und wir sollten keine Bedenken hegen zu erklären, dass uns ohne das metaphysische Visualdenken jenes beginnenden Menschen entscheidende Geist- wie Lebensäusserungen verborgen bleiben.

Bei allem Wandel der Erscheinungen wird sich der frühe Mensch als der im Hauptzug seines Wesens zeitlose Träger auch einer geistigen Konstante vorstellen. Wir werden uns seiner erinnern müssen.

Fragen wir nach Kunst in Zuwendung zum formalen Grund geistsichernder Einheitsstiftung und wollen wir zusätzlich und insbesondere die sinnmässige Konsequenz wie die Eigentümlichkeit ihrer Entstehungsordnung begreifen, so ist es nicht möglich, die intellektiven Vermögensfaktoren der ersten typischen Menschenform zu übergehen. Vielmehr ist es nötig, sowohl die Sinnesfähigkeit als auch die substantialen Konstitutionsgründe dieses früher einmal unveränderlich gebliebenen Wesens Mensch in seiner statisch-akzidentell sich auswirkenden Tätigkeit – und also im Verhältnis zu seinem „Sein“ und in Bezug auf sein „Haben“ zu ermitteln.

Der Mensch in der Leib-Geist-Einheit – und das heisst: in der Unität der somatischen Person – hat „im Masse seines Wirklichseins erkennbar“ zu sein.

Absolut wie direkt in „Sachen Kunst“ ist daher garnicht zu beschliessen, denn Artgrund wie Formgrund des musischen Naturbedürfens sind an das metaphysische Urteil jener Urstandsperson gebunden. Wir verfehlen dieses Urteil, wenn wir über die Personfrage die Sachfrage stellen.

Mit dem Hinweis auf die Vorgeschichtlichkeit geistformaler Bildnerei ist zwar die Frage nach dem Wann geklärt; zu dem Wissen um die uns so überaus hoffnungsträchtig scheinende Massgeblichkeit von einem vielleicht möglichen „Ewigen Ersten Mal“ haben wir uns in der Folge Zugang zu verschaffen.

Was uns daher jetzt anzugehen hat, ist die Wiedergewinnung eines Wissens und Könnens – im Sinne eines savoir pour pouvoir in etwa – welches im Umschlag zu unserer raumzeitlichen Axiomatik verloren ging. Mit der Zugehörigkeit zur Überzeitlichkeit würde demnach die Berechtigung zu eigenem Dasein und Sosein überprüft werden müssen. Dabei konnte uns gerade – und recht seltsamerweise – die Einbeziehung frühester Bildform mit ihrem Entstehungsgrund dienlich sein.

Seit den letzten 70 Jahren, in denen wir über den Frühmenschen so vieles erfuhren, durften wir über einen Umstand zumindest genügend Klarheit gewinnen: dass es den „natürlichen“ Menschen gar nicht gibt und vermutlich niemals gegeben hat. Allein schon dies ist überraschend genug, weil wir doch immer glauben, unsere Denk- und Wissenschaftsmeinung nur abziehen zu brauchen, um uns des frühzeitigen Lebensgefühls leidlich oder gar hinreichend zu versichern.

Auf das morphologisch stets nötige Werterinnern mit Besinnung auf einen „Grund woher“ wird heute nicht mehr Rücksicht genommen.

Der daraus folgende Erfahrungsrückgang zeigt sich im Kulturbereich fast augenblicklich an der nachlassenden Darstellungsintention, weil Wesen-Sosein (und also Essenz) anscheinend eben doch Konstanzmerkmale aufweisen, die sich der empirischen Untersuchung und deren aufgestellten Daseinsursachen entziehen.

Für die lebendig illustrierte Übermittlung dessen, was dem Menschen in ältester Kulturphantasie entgegentritt, wird daher die Usiologie mit ihrem gleichmutig festliegenden Naturenentwurf vom sog. Wesensbild in erster Überlegung stets verbindlich sein.

Im neuen Fragen auf den Früh- und Urmenschen zu treffen und sogleich die Geseztesbeachtung einer Metaphysik ihm zugestehen zu müssen, lässt uns zunehmend unsicher werden gegenüber unserem eigenen immer so profund sich gebenden Verstehen einer Welt, sie seins- und metaphysikfrei, wie sie uns im Zeitalter des Naturalismus und Materialismus erscheint, vielleicht doch nicht „die beste aller Welten“ ist.

Sehr geistvolle Worte fand der Amerikaner Lipton für unsere missliche Gesamtsituation. Er sagt:

„Wenn an der Grenze einer Zivilisation Barbaren erscheinen, deutet das auf eine Krise der Zivilisation hin. Kommen diese Barbaren nicht mit kriegrischen Waffen, sondern mit Liedern und Zeichen des Friedens, lässt das auf eine Krise geistiger Natur schliessen.“

Die Erfahrung ist: wird „die Schöpfung alt“ und ist die Zeit spät, ineuguriert sich der Barbar und „im Zeichen der Natur“ wird der Urmensch angefordert.

Die köstliche Ironie mit Lipton’s Diktum ist nicht zu überhören. Doch es sind Fragen zu stellen.

Lohnt sich die Vornahme einer Methodenbrechung innerhalb der Geist- wie der Wissenschaftsforschung: hiesse das für unsere Gesellschaft auf geistig und musischem Gebiete sich überhaupt erst neu finden, sich neu verwirklichen zu sollen; haben wir Kulturtypisches verfehlt oder vergessen; gilt es in neuem Anlauf unsere naturwissenschaftliche Revolution erst einzuholen, indem wir uns womöglich vom primitiven Geiste missionieren zu lassen hätten?

Wahrscheinlich ist in Zukunft auf archaische Einflüsse nicht zu verzichten.

Ursprünglichste geistige Wissensform in Beziehung gebracht mit der allgemeinen Geistnatur des Menschen selbst ist ein weitreichendes Problem. Vorwiegend vorerst soziologisch ist es das seit rund 300 Jahren am meisten andiskutierte Thema.

Doch selbst auch die vom Soziologischen freie Suche nach dem geistigen Ursprung bis in die prähistorische Weltzeit hinein ist nicht völlig neu; nur legte man sich meistens fest – wie bei den Humanisten und Enzyklopädisten allzusehr – auf die empirisch naturale Komponente. Damit wird jedoch wiederum das ehedem geistgesetzlich überzeitliche Menschsein nur säkularem Bedurfen angepasst.

Und trotzdem gelten auch in dieser zugleich atheierenden Abschwächung geistkritische Äusserungen etwa von einem Humanisten wie Vico oder einem Revolutionär wie Proudhon heute mehr denn je.

Es ist interessant, was damals Vico und Proudhon – wie jetzt Lipton – unter „barbarisch“, abweichend vom Altertum, verstehen, und man beachte nicht nur die Ambiguität des Begriffes, sondern den zum Positiven verschobenen Auffassungswandel innerhalb des gleichen Terminus.

Vico’s Hauptvorwürfe an das „Denken an sich“ richten sich gegen jene sich neu erbringende Intelligenz der Zivilisation, die er als „Barbarei der Reflexion“ empfand. Von daher auch das bekannte Wort „ ich rede von Auflösung“, daher der Einspruch gegen ein vagabundierendes Reflektieren, gegen die „Reinheit des Vernünftigen“ in ihrem Gehalt auch für geistige Soseinsform, welche „Zerstörung“ und „Auflösung“ ankündigt.

Vernehmlich auch Proudhon, der sich über den Substanzverlust auslässt und der über eine einsetzende „Dämonie von Desintegrierung“ die bitterste Klage zu führen verstand.

Im Zugang auf die Weltzivilisation sind also selbst für eine geweckte Bildungsintelligenz bestimmte Erscheinungen untragbar.

Die bei Vico und Proudhon leicht heraushörbare Auffassung lässt sich in folgendem Klartext vereinen. Denn der geistgeschichtliche Ablauf jener Periode brachte schon eine Anzahl schwerwiegender Abgliederungsvorgänge.

Als Grund für geistmässig zu Beanstandendes ergibt sich:

1. Die seit dem Nominalismus abgeänderte theologische Situation, welche die Auflösung der Substantialität einleitete; sowie die hierbei eintretende Hinwegspiritualisierung der Substanzen selbst.

2. Die sich daraus ergebende Nichtannahme von Substantialität überhaupt. Die Frage nach jederlei Topik und also auch nach somatischer Realpräsenz und deren Übiquität bleibt daher nicht mehr akut.

3. Die in der Folge vollzogene reductio ad anthropologiam. Sie erweitert zwar unsere empirische Arterkenntnis, ist aber zugleich jener Schritt, welcher die Realität der substantia formalis in konkreter Bezogenheit auf die forma corporis nunmehr endgültig zu einer fraglichen Gewissheit werden lässt.

Und noch einmal jetzt Lipton, wenn er von einer Geistkrise innerhalb der Zivilisation spricht.

Krisen gibt es immer, sie sind sogar nötig, um die Perioden bewegt wie differenziert zu halten.

Aber eine Grosskrise entsteht, wenn das intellektiv-anschauliche Erkennen – einst „intellektuelle Anschauung“ genannt – mit dem, was heute „dynamische Methode“ heisst, vertauscht wird. Die durchgehende Absicht, die spekulative Anschauung und deren geistige Grundlage aufzugeben und den Funktionsbegriff – als reflexive Diskursivität – anstelle der Substanz zu setzen, zeigt nicht nur die Verselbständigung der spezies operabiles, sondern bedeutet die radikale Abkehr von geistiger Intellegibilität und bringt die Ablösung von höherer Geistorganisation mit sich.

Von der Himmelmechanik über den „homme machine“ zur Denkmechanik war nur ein Schritt, aber in unserer materialisch genormten und verwissenschaftlichen Welt vermissen wir plötzlich den wahrhaft schöpferischen Menschen.

Denn was gilt und stets zu gelten haben wird: nicht eigentlich kausatives Erfinden, sondern das im mitbestimmenden Seinsakt sich objektivierende Gründen ist allein schöpferisch – und wesensbezogenes Gründen ist auch zugleich ursprünglich.

Und daher auch der „Barbar“ in seiner kultivativen Wirklichkeit. Der Barbar der Vorzeit, vom Seinsakt umschlossen, hat Bilder hinterlassen. Das haben wir endlich einmal in dessen eigenem Sinnesdatum wie in Konnaturalität mit dem ursprünglichsten Seinsverstehen fraglos als bindend, als wesensgültig und daher als vorzüglich konstituierend aufzufassen.

Wir wissen heute wieder:
            S e i n s s c h a u ist S o m a s c h a u.

Sie ist eng verbunden mit dem Charisma, sie ist „natürlich” und sie war ja auch schon der reale Bestimmungsgrund bei unserer angestellten Betrachtung über die sog. disciplina archaica.

Bringt das, was in uns ein Rest von Barbar und also ursprünglich sein konnte, solch konstituierendes Sehwissen noch hervor? Nach nicht mehr, aber auch nach nicht weniger sei gefragt.

Dann aber: wie geschieht wesensgemäss diese so bedeutsame Seinsschau, wie ist es mit der noematischen Formgesetzlichkeit als Geistbetrachtung, wie leitet sich mimetisch-mitvollziehbar solch metaphysisch massgebendes Gestalten ein?

Das wären h e u t e die „christlichen Fragen“, die wir sowohl den Hellennen als auch den „Barbaren“ zu stellen hätten.

Ist, was wir neuerdings – und in Mischung jener beiden Naturen – „archaisch“ nennen, annährend jenes einzigartige Naiv-Ursprüngliche des Menschen selbst?

Kann der Unter- wie Übermensch in der actualitas sich so herausbildender Freiheitswertung auf der Somaebene zusammenfinden?

Liegt hier auch unser konstituierendes Gewissen?

Ist aber auch die „ i n t e l l e k t u e l l e A n s c h a u u n g “ der Soma-Schau angeschlossen?

Dann wäre auch für den Abendländer jener Sinn von Ursprünglichkeit nicht mehr ein so schwer zugänglicher wie verwürfelter Begriff.

Sodann: ist solches im Somasehen erbrachte Originale als ein Faktum anzusprechen, das früh auftritt und später schwindet, oder ist intellektives Erkennen im Sinne einer Ordnung anzulegen, welches abseits von unserem Zeitmonismus, gerade der Zeitbedingtheit nicht unterliegt?

Dann dürfte solch Originales als ein Seinsmoment auch wirklich bleiben; es kann, weil höher ausgeformt, so auch ein immerzu und jederzeit gleich gut verstehbares Geistverhalten zeigen, und es ergäbe sich somit das principium convenientiae einer Gesetzeserkenntnis, welche auch künftig eine Weitertradierung zulässt.

Wenn es aber Bildung nicht ohne das gibt, was Bild ist - wie realisiert sich nun der Akt der Verkörperns im innersinnlichen Naturwissen am Menschen selber?

Bei Anwendung der philologischen Methode sei einiges wenigstens im raschen Heruntersprechen geklärt – soweit wir der Sprache Überzeugungskraft zumessen. Immerhin geht es doch manchesmal, wie ein grosser Weiser sagte, um die „Richtigstellung der Begriffe“ – so harmlos sich Worte auch anhören mögen.

Es gibt Worte, die aus der Kultsprache einer noch magischen Erlebensschicht stammen und welche, ehedem zwar seibstverstehbare Stilmittel, in der Folgezeit jedoch ohne echten Klang sind.

So gehen wir, a-noetisch, wie wir heute sind, oft allzu arglos mit Worttexten um und reden dann auch an Begriffbildern, unter denen sich Termini wie Kunst-Ars-Techne im formalgeistigen Anliegen während der frühkultischen Zeit vorstellen, geradezu beispielhaft vorbei.

In Ausweitung auf jene primordiale Zeichenwelt:

Ist die Schau, inhaltsbezogen auf ontisches Können, als eine „Kunst“ anzusehen?

Zu vorläufiger Erklärungsmöglichkeit darf dieses doch wohl zugestanden werden.

Und gleich noch hinzugefügt: Sollte jenes Seins- und Somasehen bei „theoretischer“ Anerkenntnis – und das heisst: in getreuer Korrelation zu innergöttlicher Dialektik – und daher als einer poietischen Bildnervernunft inbesondere – wie auch im aisthetikon zeitigster Tradition, v o r z u g s w e i s e eine „Kunst“ sein?

Jetzt aber und geradewegs: durch welche Art „Kunst“ wird die Bildkunst gewonnen – das s e i n s m ä s s i g e wohlbemerkt?

Vor allem erst einmal dadurch, dass die Denkordnung ihrerseits zum uneigentümlichen Gegenstand des beziehenden Subjektes erklärt wird.

Im Form-Substanzverhältnis ontisch-singularer Naturenbedürftigkeit – im Sinne des sich zueignenden, formgebenden Prinzips – wird der Wesenskonstitutionsgrund sich nur per inexistentiam rationis aufsuchen lassen: Denn das Seiende bezeichnet sich durch seine konstitutiva formaliter stets direkt.

Bildkunst als Seinsbildnerei gelingt also nur dann, wenn vorerst das logische Denken ausgeschaltet, verdrängt, ja gelähmt – noch besser: wenn es ü b e r l i s t e t wird.

Kunst – Ars – Technes, sie alle drei,
heissen gleichermassen in der
Grundbedeutung „ L i s t“.

Mit unserem Deutungswillen können wir den Terminus im Deutschen noch eben bis zur magischen Periode zurückverfolgen.

Damals, bis etwa zum Zeitabschnitt um 1000, hiess die Kunst nur „ L i s t “ ; hernach erst wurde der Begriff „List“ um den bis dahin unbekannten Terminus „Kunst“ ergänzt und sodann ca 200 Jahre später durch jenes neu eingeführte Wort voll ersetzt.

Und das ist der Grund: „Listen“ ist noch eine Begehung; erlaubt das Sichanlegen mit rein inspirativ erlebbarer Wirksamkeit, wie jede Ergologie in so früher Stunde; Sinnes- und Urgrunderkennen sind kohärent, daher erfolgt primäres Einüben auch undifferentiert und besteht praktisch aus einem Aneinanderknüpfen von Beständen bildhafter Charakteristik, die sich nur durch konfigurierenden Tatzauber sowohl hervorrufen wie verwirklichen lässt.

„List“ ist magisch – „Kunst“ nicht

Verlässt man die mytisch-magische, die „einmalige“ Zeit, verliert sich auch die Zaubermagie und alsbald verschwinden die Sprüche und Zauberformeln oder sie werden unverständlich. Das Alte verfällt einer Epoché, und neu ergeben sich, wie an diesem Beispiel, lediglich nur Fertigkeiten, als da sind die Reitkunst, Dichtkunst, Fechtkunst u.s.f.; man befindet sich in der schon leicht verweltlichten Feudalperiode. „Künste“ kann der lernen, wer talentiert ist, wer das Geschick dazu hat.

Jetzt der Begriff „Ars“ in der römisch christianisierenden Sprachvorstellung und gleich verbunden mit der charistisch nur erlebbaren „intellektuellen Anschauung“.

Auch hier zeigt sich deutlich wenigstens die Ungleichheit zwischen Sehen und Denken.

Daher auch die präsumptive Selbsterklärung der artes liberales, die in ihrem Plural dennoch ein singulare tantum gegenüber den artes mechanicae darstellen. Unter dem Eindruck des Somaprinzipes als höchstem Einheitsmerkmal ist die Lage klar; selbst die Kommentatoren erblickten ihre verantwortliche Aufgabe stets darin, auf jener nur mit Hilfe der „sich freihaltenden“ Künste verkörperten Weisheit – wenn auch oftmals in sprachlicher Tarnung – zu bestehen.

Jetzt die „Techne“. Ihre sinnfällige Bezogenheit wird in der Spätantike kaum noch gewertet; es ist amüsant, wie hellenische Connoisseure ihr Gedächtnis bemühen, ohne mit eingehender Berücksichtigung das aestimativum beizuziehen.

Der Mensch ohne Soma ist nicht mehr Telosträger, denn die gemeingültige Signatur in der visionären Verbindung geriet in Vergessenheit, und daher befriedigt das stereotyp leichthingeworfene „apo technes“ genau so wenig wie die Annahme vom Kunstentstehen aus emotionalen Anlässen oder durch „blossen Zufall“. Selbst Platon und Aristoteles sind vielzusehr mit dem Ausbau der Dianoetik beschäftigt, als dass sie das archaische Vorstellungsbild nachzeichnen mochten.

Richtig ermutigend wird es angesichts der Techne erst, wenn wir uns mit ihr auf den gräco-asiatischen Kultraum zubewegen.

Denn dort wurde einmal ganz sicher und in zuverlässiger Zielbestimmtheit schamanisiert.

Einer weiteren kurzen Sprachhinführung bedarf es daher auch, weil sich mit ihr wahrscheinlich somato-psychische Vorgänge zeigen, die aus so eigentümlich einwirkenden Fähigkeiten, wie es die Ekstasepraxis und der sogenannte elenktische Effekt sind, resultieren.

Die Typik der Person bleibt bei heute üblichem Vorgehen ein ungelöstes Problem, wenn wir nicht endlich nach ältester Erfahrensmethode von nur scheinbar recht ungewisser Natur einen wertspekulativen Aspekt erkennen lernen.

Daher der nachdrückliche Hinweis auf den sehmagisch sich vorbereitenden Gedächtnisakt.

Deshalb die Ekstasis – ihre Anwendung ist von ungeahnter Wirkungsfähigkeit und es ist nur gegeben gleich jenen motus mitzuzählen, der bei deutlich wahrnehmbarer Verrichtung als elenktike techne in der Antike allbekannt ist.

Ekstasis u n d Elenktik im selbander als einer Zweiheit von Seinsweisen, ist das in Offensichtlichkeit schonungslos sich ausliefernde Draussenstehen und das objektliche Sichdarbietenmüssen des eigenen Selbst. In dieser Form von Anschaulichkeit persönliche Erlebnisse zur Anoymität zu erhöhen, ist wohl auch die einzige Möglichkeit, die menschlichen Hypostasen in der ersten und zweiten Substanz topisch festzulegen und als gültige Somata zu verstehen.

Der Befreiungsakt des Ich, als erste Substanz, mit der Verdoppelung zum Selbst, als dem allgemeinen Wesen und der zweiten Substanz – bei vorgenommener Ekstasis, die Selbstpreisgabe dem Übermächtig-fremden – einsichtig bei Elenktik – sodann das anschauliche Festhalten jenes Vorganges durch schnelle Hände in gleichzeitigem Mitvollzug zu bleibender Wiedergabe – betrieben bei Mimesis – wird als die grösste Kunst empfunden: sie ist „he“ techne, d i e Kunst schlechthin im Fachjargon.

Um im nachzutragenden Vergleich noch einmal auf das elengchein einzugehen: wenn elengchein in der Philosophensprache „sich selbst in Widerspruch setzen“ heisst, darnach juristisch ganz einfach nur zu einem „den Gegenbeweis antreten, widerlegen“ wird, dann ist im Höchstfall blossen Regulativen entsprochen.

Wenn aber in Bezug auf jene seherische Wirklichkeit magische Techne am Aufbau spezifischer Geistform sich beteiligt, dann muss, bei anschaulicher Entsprechung – auch im Sinne des allgemeinen Bildungsbegriffes, solch kunstvoll bildnerische Zeichengebung ein Konstitutivum sein. Dem ist so, weil hier formale Bildung gültiger Geistorientierung Genüge leistet.

Sich selbst am ontischen Ort zu sehen ist Mythos. In steter Erneuerung kann er sich anschaulich vorstellen.

Im enhypostasierten Eidos ist der Mythos „Bild“ und zwar im Gegensatz zum „Wort“. („Mythisch“ würde daher „bildhaft“ oder „gestalthaft“ in etwa bedeuten, und „mythologisch“ wäre mit „bilddenkerisch“ wiederzugeben.)

Metaphysisch ist der Mythos nichtindividuelle Person. Er ist bestückt mit einer existentiell hylischen und einer essentiell geistigen Natur. Mit beiden „Naturen“ tritt er als unverrückbares „Stand-“ wie „Sitzbild“ in Erscheinung.

Im Vergleich zum „lebendigen“Gott – und also auch dem „sich bewegenden“Gott – ist er der deus immobilis und hat wahrscheinlich, wie bei den Griechen, das Paradigma für den „in Bewegungslosigkeit verharrenden Beweger“ – als dem proton kinoun akineton abgegeben; ein Bewegender also im theologischen Paradoxon, der sein „Handeln durch Nichthandeln“ anschaulich erkennen lässt. Der Mythos als Figur ist deshalb oft handlos – acheiros; oder die Extremitäten sind, um die Nichtdiskursivität anzudeuten, unterproportional gehalten. In verhältnismässig geringer Variation ist der Mythos als Skulptur in allen Weltteilen so zu finden: er ist, als die erste „grosse“ Figur die anschaubare forma unica.

Manchesmal, wie auf der Osterinsel, trägt er seinen – tonnenschweren – kosmos opseos auf dem Kopf, mit dem er sich buchstäblich „be-hauptet“.

Wir haben zwei Figurationen für die hier angeführte forma unica ausfindig gemacht.

In Fortführung unserer zu Beginn getroffenen Feststellung vom Bestehen eines „Bildnergottes“ergibt sich das Naturwissen von einem „nahen“ und einem „fernen“ Gott, mit dessen aktueller Erscheinung sich zwei voneinander abweichende primäre Typenbildungen in analoger Formgebung festlegen lassen.

Es sind daher zwei Durchgänge nötig, um auch zwei kunstvoll sich materialisierende Formtypen zu vergleichendem Beobachten zweier Bildmuster vorzuführen.

Es gibt recht seltsamerweise zwei determinierend wirkende Machtsymbole in der frühgeistigen Wahrheitssicherung, die zur Persongeschichte gehören. In ihrer vorlogischen Wahrheitsbefähigung haben sie den Charakter von einführenden Wahrheiten einer ersten Stunde.

In der analogia entis sind das die „Hand Gottes“ und „das Auge Gottes“ als in der haecceitas gründende Entitäten, die weit vor dem Christentum entstanden und auch um vieles älter als die Bibel sind.

Mit Auswirkung jener beiden Symbole ist eindeutig zu fragen, warum frühe Bilder auffällig „gegen die Natur“ geformt sind, warum sie verwandelt oder umgewandelt erscheinen und nur in solcher Umformung auftreten, weshalb sie an natürlichem Umfang leiden und warum Figuren, wie bei den Hellenen, mit dem „Gottesauge“ als Objektsymbol, dunkel oder schwarz sind – sogar notwendig dunkel oder schwarz sein müssen.

Können wir das herausfinden, so werden wir auch das Entstehungsprinzip der Kunstform erster Ordnung gefunden haben.

Mit einer Kurzformel ist noch eine wichtige Feststellung einzufügen:

Eine fundamentale Gewissheit ergibt sich mit folgendem Satz:

            In jeder kultischen Periode ist Geist das, was körperhaft ist,
            in jeder Spätperiode ist Geist das, was körperlos ist.

In erster Geistlehre ist daher die forma substantialis als Geistform unmittelbares Erfahrungswissen. Geist ist gleich Soma und forma corporis. Daher ist die Verkörperung auch als der konstante Kulturauftrag anzusehen.

In actu entis einer solchen Somatik zu entsprechen liegt aber im Bereich des mythisch-frühmetaphysischen Erkenntniswillens.

Wenn daher Platon Dichterlinge anfährt, sie sollten mythous, leibhaftige Gestalten schaffen und sich nicht im Wortgeklingel gefallen und keine blossen Redereien – logous – machen, so trifft das die gleiche Grundauffassung.

Das mythisch-frühmetaphysische Richtorgan ist ja, wie wir bemerkten, die anschaubar leibhaftige Gestalt. Daher auf das Gestalthafte, auf das Gestalt s e i n zu erkennen, heisst praktisch, sich auf ursprüngliches Erkennen zu besinnen.

Erkennen ist zunächst Arterkenntnis. Und sie realisiert und orientiert sich an ontisch fixierbaren Bildzeichen von sinnfällig f o r m a l geistiger Wesenheit.

Ontisch in uns kann sich das „Wesen“ aber niemals in seinem Grundschema aus dem Funktionsbegriff ableiten lassen, sondern es muss sich stationär in der energeia statike aufhalten. Daher besteht ontisches Erkennen vorwiegend aus einem rezipierenden Eindrucksammeln – und dieses ist nur sinngebend aus dem Einheitsursprung unserer Wesenskonstitution von Potenz-Akt-Ganzheit zu gewinnen.

Hierzu kommt jetzt der vorgnoseolologisch zu verstehende „Anblick“ a l s Erkennen.

„Anblick“ ist art-natur und organgemäss ein entscheidender und nicht auszulassender Akt.

Das „Anblicken“ im tremendum fascinans ist sodann, wenn es sich mit der Erkennens-Wirk-Vorbild- und Gestaltkausalität verbinden wie vereinen lässt, natura prius als ein sich vollziehender Seinsakt aufzufassen – als solcher ist er Theourgie.

Der Anblick von Wesen, der also benötigt wird, ist aber im mythischen wie im frühmetaphysischen Verhalten der analoge Dauerzustand.

Aber der Akt des „Wesen-Anblickens“ ist gleichzeitig ein Werterkennen; mit ihm jedoch erfolgt schon eine erste Einheitsstiftung – und diese erleben wir zunächst, ganz naiv, an uns selbst. Dies geschieht nicht subjektlich, sondern wir erschliessen solches Stiften aus dem vorgeordneten Seinskonstitutivum, mit dem als Prinzip ist das Bestehen einer essentiellen Wirkform vorausgesetzt.

In einem Kulturwissen und seinem providentiellen Systembau darf daher die vorbeugende Seinsformel cognoscere et cognitum sequuntur essentiam niemals fehlen, wie vergleichsweise entgegengesetzt die Jetztzeit organisatione sui die Analytik als geistes-wissenschaftliches Erfordernis nicht missen will.

Nur ist es ein Unterschied, ob es vorerst ein Ur“bild“ oder eine Ur“sache“ gibt. Der Umstand allerdings, dass der Mensch substantiell Wesen ist und die Natur ihm a u f b a u e n d e n t g e g e n k o m m t , ist letztlich völlig vergessen worden.

Mit dem Aufstellen von „Weltanschaulichen Determinanten“ will man sich heute gegen alles wehren, was den neuen Glauben beunruhigen kann.

Fast drei Lebensalter hindurch bemühten sich „Gestalt-atomisten“ gleich in ganzen Schulen wie Berlin, Leipzig, München, Wien, um die Auflösung der Kulturlehre von dem „Primat der Gestalt“. Damit entstand geistmässig eine zu äusserst ausweglose Situation.

Das Problem, hochgradig diffiziel wie bedeutungsvoll, liesse sich lösen, wenn erkannt wird, dass eine Kultur auf Zivilisation nicht umzuschulen ist.

Der Primitive und Barbar kennt derartige Problematik nicht. Er lebt nicht weltanschauend dahin; auch sieht er sich nicht in der „horizontalen Synthese“ nur „auf dem Bauche kriechend“ an. Sein Aufrechtstand in der Vertikale reicht ihm völlig aus zu massgebendem Metaphysikum, weil er sich eingangs schon mit der Ober- und Unterwelt verbunden vorfand.

Die Koren am Erechteion können dieses Konkretum bieten – als Menschen, die zwischen Oben und Unten unabänderlich eingespannt, gefangen sind. So, am metaphysischen Realsein des Menschen, in dessen Zusammenhang mit beiden Schichten, lässt sich Seinsgegenwart anschaulich empfinden. Das Oben liegt den Häuptern an, das Unten hält die Füsse gleich einem Magneten fest. Das Ganze ist en bloc gefasst.

Hier gibt es Wissen wie Erkenntnis i n G e s t a l t und nur mit ihr wird seinsdimensional aufgerückt.

Dass hinter solch schlichtem Erfahren sich unsere eigene Geistesabstammung verbirgt, sollte uns nicht gleichgültig lassen.

Wenn wir also in unserem ältesten Wissen – denn wir selbst sind schliesslich einmal archaisch gewesen – die anschauliche Vertikalität als Metaphysikum gekannt haben sollten, dann müsste sie auch heute noch versteckt vorhanden sein.

Wollten wir weiterhin noch unsere Intelligibilität auffrischen und in noch grösserem Umfang allgemein theoretisch wiederaufleben lassen, dann haben wir uns zu erinnern, dass Geisterkennen und Formerkennen im noumenalen Beziehen als Konkretum zu betrachten sind.

Wenn „Geist“erkennen in jeder Arché zu einem sinnenhaften Konkretum wird, so lässt das den Schluss zu, dass bei erster Zuordnung die Geist-Wesensbelange im Urgrund-, Ideal- und Wahrheitserleben auch real – und das heisst wieder: als Entgegenstehendes – und somit als Merkwert für die Sehorganisation, auftreten.

Und dies ist auch für den methodisch unanschaulichen Denker die so berüchtigte Stelle, an der das gignomenon und das phainomenon sich verschmelzen.

Wir, die wir heute zum Irrealen neigen, müssen uns wieder gesagt sein lassen, dass wir zu integralem Erkennen jenes Phainomenon notwendig brauchen.

Dann werden wir auch wieder erfahren, dass Sehen, Imaginieren und schliesslich auch das Bilden, als dem „im Bilde sein“ selbst, die Grundnatur erster Religiösität gewesen ist, und man begreife das Entsetzen früher metaphysischer Völker, wenn ihnen ihr mysterium stricte visum plötzlich einmal genommen und durch ein Erkennen in Unanschaubarkeit ersetzt wird.

Die sinngerechte Sichtbarkeit ontischer Organisation ist daher zu bemühen, um jenen vergessenen Mythos, welcher in seiner Verbundenheit mit der Ober- und Unterwelt auch wesensgemäss da sein muss, in einer sich selbst erklärenden Ökonomie in Erinnerung zu bringen.

Bereiten wir mit dem Archai ein Synholon vor, so können wir uns von deren aktuellen Wirken in der realen Abhebung von anderen Erscheinungen besser überzeugen lassen.

Es kommt darauf an, trotz der Mannigfaltigkeit der Vorgänge, die sich in dem Archai abspielen, die schon besprochene forma unica besonders im Auge zu haben und von hier aus einen verbindlichen Plan von einer weithin einheitlichen Lebensgesetzlichkeit aufzustellen.

Eine gewisse Übereinkunft mit allen Archai zu treffen, enthielte jedoch schon den Ansatz zu einer Einsicht in das Wesen des Menschen; im ersten Wortsinn des Eidos also ergäbe das eine wahre Menschen-Betrachtung, mit Hilfe derer wir eine hauptsächliche Intellegibilität bereits feststellen konnten, und dementsprechend stünde sodann auch eine ganze Organisationsweise fest. Denn wenn am Anfang die Bildsysteme in ihrer Formgebung sich so frappierend gleichen, tragen sehr wahrscheinlich auch alle diese Archai ihre einheitliche Bezeichnung mit vollem Recht.

In der Hoffnung auf eine erneute Integrierung war ja die Frage nach der ursprünglichen menschlichen Wesenheit gestellt, und so gilt es auch, jeden Faden aufzunehmen, der sich bietet; und dann sei einmal der archaische Mensch im genus proximum gesehen, um einem gemeingültig primären Wissen auch möglichst einheitlich auf die Spur zu kommen. Sodann ist die Empfindungsorganisation in der archaischen Eigenart als deren Erkenntnisweise aufzufassen, die sich nach jenem Ertrag bildhafter Anschaubarkeit richtet, wenn auch die frühe Erlebniswelt nach Sosein, Realität und Wesenheit durchschaut werden soll.

Wie also ist der Zuschnitt? Offenbar ist wenigstens zunächst die Diskrepanz von zeitig und spät gleich soweit in den Griff zu bekommen, als evident wird, dass jede Frühzeit unter dem bedrückenden Erlebnis der Aussenwelt in Bezug auf den Menschen steht, weitgespannt also dämonistisch gebunden sich zeigt, während unsere neuerworbene Artweise in der Hauptsache vom eigenen Innenleben sich hinausprojizierend zum äusseren Ding hin sich verhält.

Kurz gesagt, will der Mensch wohl stets nur wissen, was zuerst da ist; und in umschichtiger Wechselhaftigkeit wird ja auch wirklich nur und mit grosser Zuversicht einmal mit der Trenszendenz – und also von Aussen her – und einmal mit der Immanenz – und also von innen her – in eindeutig wertender Entscheidung die Herkunft der Wesenhaftigkeit zu begründen versucht.

Es existiert ein Anfangswissen von der „Zusammensetzung“, als der Möglichkeit eines sog. actus essentiae compositae; dort ergibt sich auch die recht einzigartige Situation, dass das Verkörpern tranzendentes apriori sein kann; und genau dahin passt jenes zentrale Erlebnis eines, und so paradox wirkenden Akzidenz, wenn nämlich Geistsein zum Leiblichen sich hinzufindet. Ursprünglich als hylomorph gesehen, kennen wir den Vorgang nur noch in der noematischen Ausfertigung; aber die hylische Ordnung kam selbst nach der Stiftung der Vernunftsmetaphysik wenigstens nicht ganz aus der Erinnerung.

In den Archai bedeutet die Hyle noch g e i s t i g e Verwirklichung, sie ist so eine Wesens- wie zugleich Gestaltungsform, welche schon im mittleren Altertum mit der Bezeichnung „poiesis“ nicht mehr eindeutig und klar überliefert ist. Die Poiesis ist spirituelles Phänomen und nicht im Geringsten materiell zu denken.

Gibt es die Poiesis schliesslich einmal ohne den zupackenden „handgreiflichen“, – oder in anderer Weise – den seherischen Poietes und Bildnergott, so fällt die Poiesis für das primäre Bestimmungsverhältnis weg, denn als theoumenon ist sie dann nicht mehr auszumachen.

Wir wollen die Überlegung zu äussern wagen, dass jedoch die Poiesis vordem die ausgeübte Religiösität war und dass sie daher natura prius einem dem Subjekt aufgezwungenen Urverhalten entsprach.

Die echte Poiesis ist allein in Bindung mit dem Soma existent; prima facie ist sie Geistphänomen. Obgleich sie in eigener Intensität wie als phänomenaler Gegenstand des Glaubens nicht bedarf, wird sie in der archaischen Situation dennoch zur religiösen Formel werden können.

Poiesis, als Theourgie, ist das personaliter verstandene Phänomen im Sinne von ontischer Objektion, die sich am menschlichen arteidos konsolidieren kann.

Sehr lebhaft kommt dieser Gesamtumstand der frühen Bildnerei zugute, weil diese in der Aktualität finaler Entsprechung daher überindividuell sich einordnen kann.

Das schöpferische Gestalten braucht die objektivische, durch spirituelles Leitungswissen sinnfällig übermittelte Methode, weil solche Anfertigungen noch echte Grundtopoi sind und demnach in der Determination „ loci theologici “ sein müssen; und diesem Aspekt bleibt, solange die Arché, auch das imaginierende Formen unterstellt.

Das fortwirkende Empfinden ist hier jenes eigentümliche Erleben, welches seiner antagonistischen Art nach das berührende Objizieren zu Natur hat. Die gesamte Struktur vorpsychisch erlebbarer Akttranszendenz beruht hierauf und es ist auch diese Ordnung, welche zur Klärung urbildichen Gestaltwerdens Anlass gibt.

Daher das Wissen um den mytischen Poietes, der sich in seiner Artweise als der Schaffende manifestiert. Man muss ganz unausweichlich bei jener Organisationsstufe auf diese vis formalis stossen, sei sie in der scientia visionis erfahren oder anderweits durch ein Merkmal charakterisiert: es ist die Begegnung mit jenem ersten Seienden, der als Schöpfer Mythos und Bildner sein muss. Also Schöpfer ist nicht der Mensch, vielmehr der Mythos und Poietes mit seinem Walten in Seinsaktivität, wenn er in seiner umfassenden Dimension zur conversio ad creaturam entschlossen ist – nur so wird in mythischer Erkennbarkeit die offenbarte Überzeugung aussehen. Hiernach aber und bei Verfolgen dieser Konzeption: Ergreifen und Bilden, Imaginieren und Schöpfung kennzeichnen einander – so sehr, dass es für das paideuma einen einzigen logos apophantikos abgibt, weil Schöpfung im Bilden in voller Urteilsidentität hier eine Einheit ist.

Und deshalb entspricht es der Urzeit, die sich am überindividuell real sichtbaren Gegenstand orientiert, wenn sich mit der schon in der Klassik strittig wie undurchsichtig gewordenen Poiesis auch die Bestimmung der Imagination in der eindeutig theourgischen Form des nous poitikos aufdrängt. Sehr kostbar dafür diese älteste Tatvernunft, denn mit ihr ist der aussergewöhnliche Standort fixiert: das numinose Reale wird so beleuchtet – während Menschsein und persönliches Schöpfertum im nous pathetikos sich abfindet. Aber dies ist die unserer Freiheitsvorstellung unerträglich scheinende Form des Erfühlens und Erlebens, auf die sich eine jede Primitivmentalität fast ausschliesslich festlegen lässt.

In geschlossener Wiederholung: Soma ist Mythos und Mythos ist Poietes mitsamt einer poiesis poieseos, die wir der noesis hinfort zuweisen müssen.

Setzen wir herzu: Poiesis ist somatische Verdichtung und Dichtung ist Poesie. Doch selbst die Dichtung im Wort ist nur intakt, solange sie somatisch bleibt, solange ihr das Verkörpern gelingen kann und Körper zusammenfügen heisst mythisch sein können.

So kennen wir die Poiesis in der ihr gerade noch angemessenen Weise, in ihrem schon recht säkularisierten menschlichen Verhalten: ein Dichter ist ein Mensch, der sich rückerinnernd, Verkörperungen zeigt und also deshalb Mythen schreibt.

Auch Sprache enthüllt, doch tut sie das nur bei somagerechtem Bildsprechen; denn Mytheinheiten sind immer sichtbare, sind imaginiert vernehmliche Wesenheiten, und rechte Poetik gelingt alsdann nur dem, wer in beredtester Weise auf den Somakomplex anspielt, wer zurückgehen kann auf den ekstatisch-seherisch erworbenen Geist-Körper Bestand.

Bei solchem Gesamtzustand vom „Mythos“ gehen wir mit der Auslegung seines Charakters wohl wenig fehl, wenn wir die bekannte Aristoteles-Definition der Poiesis mit dem so berühmt gewordenen Satz vom synhstasthai tous mythous dahin begreifen lernen, dass die geforderte Masseinheit „Mythos“ als schlagender Beleg für ein durchaus nicht immer gleichbleibend verfügbares Verhalten anzusehen ist, und die Nichtalltäglichkeit einer dennoch organisch sich erweisenden Legitimition, die hieraus spricht, soll auf die Einhaltung einer Regel hindeuten als der Verwirklichung einer Unabdingbarkeit, die in ihrem Wahrheitszeugnis weit über die empirische Gebrochenheit des blossen Soseins hinausreicht. Es ist die Autorität eines Grossen, die hinter dieser Forderung steht, und die mit dem unausgesprochenen Hinweis auf eine gar nicht erst zu erörternde heilsame Ordnung fast prophetisch in ihrem Hauptton die Hochhaltung jenes konstitutiven Momentes des Verkörperns fordert, und die solches genau wohl darum in ganzer Stärke wünscht, auf dass jenes gefürchtete apeiron – denn nichtkörperlich Amorphes kann auch nicht Mythos sein – fast beschwörend formelhaft im Aussprechen sich dicht häufender Somata dankbar umfassend jedem etwa auftauchenden Gegenprinzip widerstehen vermochte; darf doch dämonisch Unsichtbares weder aus der Natur hervorbrechen, noch im Menschen eindringen und seine ihm erst mit der Imago verliehenen Gutheit und Schönheit zerstören können.

So vollends jetzt in der Tragödie rettet sich auf dem kothurn der Mythos bis tief in die Profangräzität hinein. Denn warum wohl ist selbst nach aristotelischem Ermessen die Tragödie echteste Poesie? Sicherlich wird sie dafür gelten müssen, weil hier Prinzipien in konkreto als Somata auftretend realiter e r s c h e i n e n , und genau insoweit hat die Tragödie auch für uns eine Qualität zu sein, weil wir, insbesondere und jetzt abendländisch gesprochen, die Tragödie in den Mysterienspielen von neuem wie erhöht begriffen, auch für unsere Kultur in notwendiger Bestätigung wiederfinden.

Und was noch das corpus Aristotelikum dogmatisch selbst angeht, so ist stets zu bedenken, wie sehr man sich zuletzt auch in der Aufstellung des psychischen Somatoids befleissigt zeigt, den anaximandrischen Intellectus infinitus zum Stehen zu bringen.

Seiendes bietet sich nun einmal z u n ä c h s t immer als sichtbares Prinzip an, die „niedere“ Form sei also niemals ausgelassen. Um so realer daher wieder einmal diese wohl älteste Ergologie vom Poietes, die in ihrer ureigenschaftlichen Somatik – fast möchte man sagen stante pede – allzu schweifender Diskursivität sich in den Weg stellt.

Sodann und nicht anders die älteste Poiesis, die in ihrer Bezogenheit ontotypisch ist und in ihrer Abkunft von einem hylischen theoumenon durchaus als Stiftung verstanden werden kann. Und so versehen spielt sie mit zureichender Erkenntnisabsicht in eine uns heute sehr bewusstseinsfremde Erlebnissphäre und damit in eine fast zeitlose Interpretation hinein, die sich mit einem Oberbegriff als numinosem Betroffensein konkretisieren lassen kann.

So wird auch hier eine ontisch angesetzte Fragestellung die beste Aussicht geben, eine Ontologie vorzubereiten, denn wir verfehlten sonst unweigerlich den Ansatz, konnten wir nicht den Zusammenhang zwischen der Ontik und der Unmittelbarkeit dieses einzigartigen Hauptmotivs vom Betroffensein hergestellt sehen.

Also, um mythisch von vorneherein die rechte Proportionierung durchzuhalten, wenn schon über eine Grundauslastung des Bewusstseins etwas Verbindliches ausgesagt werden kann: gegründet wird von seiten des Mythos her, und Stiftungsgeschehen statt menschlicher Stiftungstat käme dem wahren Sachverhalt näher.

Das persönliche Ich als freihandelndes Tätersein zu bestimmen, gelingt in der mythischen Gruppenaneme natürlich nicht. Versuchen wir daher einmal, uns dem frühen Subjektstand anzupassen, indem wir probeweise über den Sprachaufbau hinweg eine vergleichende Gedankenkonstruktion eingehen; am besten gleich nehmen wir eine Umstellung der Singularpronomina an unserer eigenen Sprache vor.

Die dritte Person stünde jetzt zuerst, die Erste zuletzt, und so gäbe es eine Trias von Es, Sie, Er als Tätergebilde ab, während das Du und Ich als das „Darunterliegende“ das hypokeimenon vertritt und an dem Ort steht, an welchem das Du und Ich in seinem Endlichkeitsstand auch anschaulich in der niedersten Natur ist.

Dicht hier angesiedelt lebt der Mythos und es sei nicht vergessen, dass in der stets objektbezogenen Frühorganisation eine solche als pathisch zu bezeichnende Sprachform zu erkennen ist, welche zudem noch zusätzlich spirituelles Organsein und hylisches Faktum in einer einzigen Wesenheit von „Formsein“ zugleich umfasst. Ansich mag der Hinweis auf eine passivisch-sakrale Sprachführung nicht völlig neu sein, denn alle primordialen Sprachen lesen sich so; aber die grundsätzliche Patibilität muss doch verbindend angeführt werden, um unser dringliches Anliegen von Inbewusstsein-treten der leiblichen Imaginierung auch in der vergleichenden Gedankenführung ihrem stiftenden Charakter nach als Funktion des Mythos zu zeigen.

Und wer wohl wird vom Himmel besser beraten wie bestellt, wird umfassender unterrichtet sein, wenn nicht eben jener Primitive und Barbar, der Grosses in kontemplierender Bereitschaft sich erwirkt, nur dann schon, wenn er sich glaubhaft machen darf, dass die Verkörperung, wie unwägbar im Rationalen dieses Wesensfaktum auch sei, als Sprache des Lebens sich unmissverstehlich bezeugen kann.

Haben wir uns mit unserem Auflösungsschema von apperzipierbar Leibhaftem weidlich distanziert, so muss das Erfahren von Ganzheitlichem zwar a parte rei und im Ausdruck einer sichtbar konstitutionellen Lebensrelevanz dennoch in höchstem Masse sinnvoll sein. Denn jener Fall von Wahrnehmungsgegebenheit – ein Verstehensbegriff, der sich uns heute meist versagt – besteht als Relat der Natur durchaus; insoweit mag auch ein Wort wie etwa dies von der Freiheit durch Erlebniszwang die mythische Realität leichter auffinden helfen.

Denn jede Arché durchlebt in erhöhter metaphysischer Besinnung in der hylischen Gestaltform des Verkörpertseins ihre Schöpfungs- und Heilszeit noch in einem und entwickelt, ganz abwegig von unserer psychisch bestimmten und verinnerlichten Welt, allein schon damit ihr bedeutendstes Wirkereignis in sichtbar körperlicher Geistigkeit, denn dieses Einheits- oder Integralwissen ist und bleibt nun einmal das grosse Kulturmotiv und wird auch als die spezifische disziplina archaica betrachtet werden müssen.

Aber wurde sonach Gestaltbild durch Form jemals ernsthaft in essentieller Signierung gefasst? Kann also das Sinnbild a l s F o r m und mit dem Modus ontischer Belebungsfähigkeit begabt, sich vorsätzlich ab alio begründen lassen? Gibt es hernach Urbildkausalität allein in Art von Form als einer Verwirklichungsordnung, die per modum unius eine Natur hat? Sind Seinsmomente zudem allein visuell behandelt – oder gar in solcher Beschaffenheit exakt – für sinnvolles Allgemeinverstehen realiter auch zum Ausdruck zu bringen? Und schliesslich, wenn sich ein solches Merkmodell in formalem Bildwissen abbinden liesse: ist eine natura prius Objektivierung mit im Spiele, eindeutig eine Wirksamkeit schlechtweg und eine Ewigkeitsnatur mithin, die als Äusserung objektiven Geistes sich erkennend, in Ausführbarem auch bestehen bliebe? Für die klassische Lösung der Arché setzte dies noch vor Schaffung der Kunstsprache die Fähigkeit zu einer augenfälligen Synthese von Akzidentien, also einer ontischen „Synoptik“ gewissermassen, voraus, die in vorweggenommenem Endzielbesitz auch das Dasein handlungsbestimmender Faktoren mit vorsieht.

Abermals und selbst für künftige Zeitläufe, in welchem Umfang, bei wie grossem Anspruch auch immer, sollte Zugang zu solchem archaischen Wissen möglich sein. Schon manchesmal gelang durch das Zurückgehen auf grosse Einfachheiten die Klarstellung entgegen zunächst ausweglos scheinender Position. Eins ist sicher: Neigung zu Ganzheit, wie Sinn für Integrität besteht; wenn auch in unserem späten allgemeinen Bildungswissen das depositum fidei im blossen Ethos zu entgleiten droht. Doch die Hoffnung auf ein erneuertes Werterleben ist nicht zu verkennen: dass man Einsicht in einen Grund von erster Ursache gewönne, naheliegend vermutlich dem Stande der Erwählung als einer Begebenheit von Gestalthaftem Wirklichsein vielleicht; ein dunkler Wunsch nach Urtümlichem ist festzustellen – und die Frage tritt auf, was naturhaft erinnerlich dann mitwirken könne, was aber auch faktisch strebend zu wissen wohl lohnend sei, was natürlich ist und auch und mit Voraussicht: was notwendig ist.

Also nicht Ipsoreflexion, sondern Retribution zu gebunden ontischer Artweise, wenn die Realistik nur mitsamt einem überzeitlichen Urteil am ehesten noch einem Wahrsein entspräche.

Doch was schon ist ursprünglich, was Natur, was wesenseigentümlich, was arteigen, in dem weiten Sinne einer universellen Absprache in Bezug auf alle Kreatur, wie als lebender Ausdruck auch rein menschlicher Reife mit dem Vermögen nur selten anzutreffender metapysischer Erlebnisfähigkeit.

Deutlicher: unser neues, wenn auch spätes Bedürfnis, strebt zwar erstaunlicherweise wieder allem Anschein nach zu der Einsicht in jene in sich geschlossene Noematik, welche zwar, wenn auch verdeckt, durchaus die Eigenschaft eines phäinomenon mit numinoser Erinnerungerregung enthält; jedoch, wenn überhaupt, so ist sie heute nur in ihrer Begrifflichkeit enthalten, wenngleich sie allgemein species intelligibilis ist; in ihrer heutigen Organisation wurde sie dennoch geradewegs eine Gattung für sich.

Hiergegen steht fest: sehr viel zeitiger lebende Menschen wussten manches besser. Heute ist es so, dass rhapsodisch sich äusserndes Bemühen eine recht beträchtlich bestimmende Seite ausser acht liess. Was zudem die Deutung der Arché betrifft, so noch erschwerender für uns die Ansicht, dass eine Primitivform „einfach“ sei. Kaum wäre glaublich, wenn für die Erstellung ursprünglich bedeutend erscheinender Belange ein namentliches Besprechen die echte Motivierung wohl zeigen könnte.

Es geht jetzt um den grundsätzlichen Versuch, in rein anschaulicher Weise jenem mythisch noch leibhaften Divinum in seiner so bezeichnenden und doch nicht leicht verständlichen Statik und Haptik entgegen zu kommen. Mit dem Versuch zum Recognoszieren von jenem zunächst allseitigen Urstandserkennen tut es Not, dass der Souveränitätsbegriff wieder sein natürliches, d.h. sein poietisches Verhältnis gewinnt. Herauszuarbeiten ist deshalb die autoritative Form in dieser zeitigen Beziehung, die es im Geist- und Personsein neu zu überlegen gilt. Mehr als nur üblich wäre derart und mit solchem Merkmal die frühe Ordnung an ihrem kosmischen Ort wohl anzutreffen.

Denn was ist Arché? In der modernen Bedeutungsmeinung nimmt sie lediglich den Charakter von Ursprünglichkeit an und kommt der Vorstellung von Anfang, Anbeginn, Urgrund, Quelle und ähnlichem in etwa gleich.

Dass Arché per excellentium Weisungsprinzip ist, will man nicht mehr wahrhaben – weshalb der Arché Begriff heute so unlebendig bleibt – , aber der Ieus imperans und creans mit dem Merkmal des operatum artifex tritt hier nun einmal ganz unverhüllt auf, der mit seinem nomen agentis die Wirklichkeit gestaltend, die Arché zu dem macht, was sie ist und sie in durchdringender Abhebung von anderen Frühzuständen auch sichtlich unterscheiden lässt.

Geht man an die Arché heran, so halte man sich von den Spätlehren und deren personlosem Elementenbereich fern; es wäre abwegig, sich auf das Extensionsgesetz, das mit der Vorstellung vom „Elementaren“ beginnt, einzulassen, weil dann schon ein abstrakter Prinzipiengrund vom ordo ordinans in allgemein begrifflicher Übertragung angenommen werden müsste, der zwar auch eine Sinndeutung zulässt, jedoch die Arché-Konzeption, die doch so ausgesprochen anschaulich objekt-persönlich ist, nicht mehr ernsthaft enthält.

Denn in der mythischen Anwendung scheint der direkteste Ausdruck für das ontische Daseinsverständnis gerade dann am sichersten zu sein, wenn im Realsinn die Ergriffenheit wie das Betroffensein anschaulich vorgelebt wird, so dass dieses so entstandene Wissen einer nachfolgenden Wortvergegenwärtigung erst die konkrete Vorlage bietet, und wir beschliessen deshalb auch, es jetzt anders als die Animisten zu machen und haben vor, um dieses ehemalige Objektsein lebendiger zu gestalten, das Subjekt mit dem Objekt ähnlich auszutauschen, wie wir es im sprachlich syntaktischen Versuch mit der Pronominaaufstellung bereits vorschlugen; die mangelhaft überlieferten Texte unterstützen dabei nur unsere Absicht, uns nach Möglichkeit der vollen Kraft des Anschaulichen zu überlassen – nicht zuletzt auch deshalb noch, weil der Augenschein bei jeweiligem Auftreten eines sog. persönlichen Objektes ja stets hervorragende Bedeutung gewinnen muss. Es liegt uns gründlich daran, das charakteristische Affiziertwerden, welches mit der archaischen Ekstasepraktik engstens verbunden ist – denn dieses Affizieren und An-tun hat die früheste mimesis tes praxios in den archai zu leisten – mit der gehörigen Prägnanz rein korporistischer Überführung und in deren Bedeutung von einer äusserst nachdrücklich paränetischen Zuchtübung zur Darstellung zu bringen.

Der Akzent liegt durchaus auf einer fast ungehinderten Gewaltsamkeit – indes wie sonst kann Theourgie erlebnisgerecht werden, wie soll sie erinnerlich bleiben können, da sie doch nach Massgabe wie Wirksamkeit auch mit dem Vordringen bis zu einer Hochkultur in gediegenster Äusserung unverlierbar sein soll.

So hat uns endlich aufzugehen, dass Mythos in der ihm zukommenden Arché nur in metanoischer Struktur genugsam verständlich werden wird, und im eigensten Sinne des Urverhaltens wäre es sodann recht erwägenswert, bei Schilderung vornehmlich mythischer Vorgänge mit der Hinzuziehung jener so bekannten Bezugsumwertung auch sehr direkt von einer metanoischen Kausalität zu sprechen.

Mit diesem Terminus gelingt es auch wesentlich leichter, das primitive Verhaltensmuster wieder zum Vorschein zu bringen und die mimetische Poiesis zugleich als frühestes Wesenskonstitutiv festzulegen:

Der Mythos gründet also im Eidos – und zwar genau so lang als hylisch intentional geordnet wird. Besonders klar wird dann sofort die f o r m a l e Wesenheit im gebundenen Selbststand, die als überpersonelle Wesenheit von numinoser Substanz empfunden wird. Dem entspricht die endliche Anpassung des Individuums als „Unterstand“ in der Subjektion, eine finale Anordnung, welche äusserst wirksam Freisein von der Blindheit des Tatwillens bedeuten muss. Bei solchem Auswiegen des Bewusstseins in der rein akzidentell-passivischen Weise ist das Individuum vorerst n u r als Form erfasst und trotz dieser Einschränkung wird sich eine Wesenswirklichkeit erfahren lassen, die dennoch eine ganze Welt heraufrufen kann – eine Welt, die in der Gestaltimaginierung ihren Sinn hat. Das Natursein in dieser Auffassung, welche Kenntnisnahme von einem „Gestaltobjekt“ voraussetzt, wie dies andererseits von einem gestalteten Subjekt zugleich mit Auskunft gibt, ist notwendig frühester Kulturbesitz, und so und mit dieser Rücksicht betrachtet, zeigt sich in geradezu erhabenster Unverborgenheit wesenhaftes Gestaltsein als solches an. Erst hierauf fusst der ontologische Begriff vom unverborgenen Offensein, und damit ergibt sich eine einmalige, rein menschlich zutreffende Situation: denn anscheinend ist es nur dem Menschen aufgegeben, vor sich selbst Objekt zu werden.

Sei der vielleicht ansich recht wenig nötigen Frage nach dem „ingenium“ des Menschen lieber ganz ausgewichen, so läge allenfalls bei dieser das Objektliche miteinschliessenden Art von metanoia noch einige Berechtigung hierzu vor, denn, wenn ein solches Wort in einer Verbindung überhaupt fallen könnte, dann eben am ehesten hier bei jener gewissermassen spirituellen Mutation – wobei jetzt auch gleich die bekannte aristotelische Rede von der Metabasis eie allo genos einmal archaisch angewandt, in einer neuen Übersetzung sich als „Wandel zur Handlung“ oder auch in etwa als „Übertritt in eine andere Seinsweise“ anbietet und damit sich in einem viel ursprünglicheren Sinn eine Grundbezeichnung einstellt. So erscheint uns, im Gesamtausdruck mit der theourgischen Poiesis zusammen, diese Objektvornahme als das älteste und wahrscheinlich auch als das ureigentliche vorkategoriale Problem, und wir haben jetzt im Stande zu sein, jene mythische und als Daueraffektion vorzustellende Erlebnisweise in ihrem mutmasslichen Vorgang aufzuzeigen.

Wir sprachen – erstens – von dem organisationsbedingten Methodenwechsel im Verhältnis zu dem so einschneidenden Problem, wie bei geistüberprüfendem Durchrechnen sich verlaufskonstant Gewissheiten mit der Aktion des Verkörperns ergaben und merkten – zweitens – unter Hinzunahme des Begriffes vom „Primat der Gestalt“ und bei unserer Kurzbeschreibung des damit eintretenden Auflösens des Gestalthaften, eine unheilvolle Entwicklung an und kamen an dieser Stelle auch zu grundsetzlicher Kritik an dem anhaltenden Versuch der radikalen Umstellung der Kultur auf das Zivilisationsprogramm zu sprechen.

Um zur Klärung der Kultursituatuion weiterhin Bedeutungsmerkmale auf die frischeste Weise zu bekommen, haben wir uns auf einen zusätzlichen Unterschied zwischen Kultur und Zivilisation zu besinnen: es ist die Struktur eines Prozess-Schemas und eines damit verbundenen Bedeutungswechselns, das zeigt sich mit der Abhängigkeitsbeziehung von auch zweierlei Kenntnisweisen, die sich ebenfalls nur im Dialog des Richtungsgegensatzes beschreiben lassen.

Für die Anfangs- und Endlage ergibt sich:

            die Kultur erkennt passivisch-pathisch
            die Zivilisation erkennt aktiv-dynamisch

Es ist spater im Text noch mehrmals auf diesen Sachverhalt zurück zu kommen; mit unserem Anliegen, dem Erkennen des primitiven Kultmenschen zu folgen, wollen wir uns jetzt vorläufig nur auf die passiv-pathische Geisterregbarkeit einstellen. Denn wir brauchen allein das passivische Erkennen zur Erklärung des kultivativen Prinzips des Somasehens wie der Gestaltbildnerei.

Mit üblichem Analysieren des Primitiven können wir uns heute nicht mehr begnügen, wenn wir ihm somarisch eine besondere „Affinität zu bildnerischem Ausdruck“ nur bestätigen, so wenig wie es weiter angeht, von „instinktresidualen Verhaltensmomenten“ zu sprechen, ohne von derartigem Verhalten eine nähere Vorstellung zu gewinnen.

Wir wären bei solchem Früherkennen wieder dabei, wenn wir uns in jenes affektive Verhalten des primordialen Erkennens mit einschalten könnten.

Die Erkenntniswirklichkeit im Ablauf wie nach Sinn und Ziel anschaulich beschreibend darzustellen, sei gewagt.

Versuchen wir uns jetzt dem mythischen Verhaltensschema zu unterstellen, so haben wir zuvor zwei unserem modernen Denken entsprechende Auffassungen fallen zu lassen.

1. Die von Scheffler vertretene Meinung „Personen sind nicht gegenstandfähig“ trifft auf das primitive Verhalten nicht zu

2. Gilt die Vorstellung nicht, die uns abverlangt, aus der Subjektion heraus die Welt als „das Dasein der Dinge ausser mir“ zu determinieren, d.h. also die Welt und Umwelt für tot und leblos zu erklären.

Der Personenaufbau des Primitiven der Vorzeit wie heute wird lediglich durch seine besondere Verhaltensweise bestimmt. Eine uns wesensmässig anders geartete Grundstruktur besitzt er nicht; in den Anlagen ist er von uns nicht unterschieden.

Da nur von wahrnehmender Erfahrbarkeit geleitet, wird seine Orientierung zu äusserst vernehmend d.h. passivisch-pathisch sein, nicht jedoch aktiv-emotional, was stets schon inneres Selbstwissen voraussetzt. Bei Dauerbindung an die Aussenwelt und durch das nicht genutzte Innenleben ist der Gegenstand von vornherein im intensiven Erleben übermächtig; notwendig, dass Überlegenheit eines jeden Aussendinges besteht und, indem es das Individuum bedrängt, seine Macht beweisen wird.

Grundvoraussetzung jeder mythischen Offenbarungsbereitschaft stammt daher: im Mythos wirkt – wie wir bereits sahen – ein leibliches Objekt mit voller Kraft auf das Subjekt ein; das Objekt wirft sich, seinem Namen gemäss, wirklich ganz ungeschwächt noch „entgegen“.

Denn lebt die Natur, zieht sich das Ich zurück, regt sich das Ich, weicht die Natur.

Der ratio cogitans ist die Natur tot. Wird dies bedacht, so ist naiver Zustand einzusehen: als das unbewegliche Dasein eines in sich ruhenden Soseins.

Überwiegt hier die Natur, so ist sie zugleich von geistig wie dinglich gravierender Primordialität, d.h. die Natur wird dinghaft-geistig und geisthaft-körperlich gespürt und ist bis an die Grenze des eigenen Leibes überlegen.

Die hylische Natur haftet also am leiblichen Ich, das keinen Geist besitzt. Und ausserdem: die Natur, die, weil sie so überordnet ist, auch lebt – eigentlich allein nur lebt – besteht zwar aus Dingobjekten, aber mit Naturen, und diese besitzen mithin auch Lebensgeist und Geistleben.

Das Fehlen des Raumzeitbegriffes ist bekannt und nur natürlich: konkrete Leibhaftigkeit lässt ja eben keinen Raum für die Zeit. Kategoriale Begrifflichkeit und Distanz folgt erst bei Abdinglichwerden, beim Abrücken vom eigenen Leib.

Mit dem Inter-Esse, dem Dazwischensein der Zeit, wird Naturgebundenheit – das ist ja das Verhaftetsein am Leib – gelöst.

Im sprachlichen Nachvollzug gelingt uns wenigstens noch eben die Vorstellung vom lebenden Dingleib mit einem Geist; denn auch heute noch bedienen wir uns, zudem mit besonderer Betontheit gewisser Redewendungen, wie etwa der, dass wir von einer Sache „ganz begeistert“ seien – als undeutlicher und auch fast undeutbarer Erinnerung an ein Zusammenleben mit dinghaften Geistwesen, die bei uns einst Eingang fanden.