Wohl als direkter Erfolg des Schreibens von Oberamtsrichter Gerhard Münzberg an den Bundestagsabgeordneten Dr Max Schulze-Vorberg vom 26. August 1969
wurden Haller und seine Frau vom Grafen Dr. Karl von Schönborn-Wiesentheid eingeladen, in der dem Schloss Weissenstein zu Pommersfelden angegliederten
Fasanerie kostenfrei zu leben und in der Orangerie des Schlosses zu wirken und dort Bilder auszustellen.
Am 4. Mai 1970 zog Haller von Kitzingen dorthin um.
Damit waren Haller’s Wohnungs- und Atelierbedürfnisse mehr als gedeckt.
Als Fasanerie bezeichnete man eine Kombination von beheizbarem Fasanenhaus, Brut- und Legehaus, und der Wohnung des Fasanenwärters. Auch die Jäger, Förster
und Weiherwärter waren früher hier untergebracht.
Die Orangerie war ein großer, beheizbarer Wintergarten für kälteempfindliche Pflanzen, wie Orangen, Palmen etc.
Die Fasanerie und die Orangerie wurden jedoch zu Haller’s Zeiten nicht mehr für diese ursprünglichen Zwecke verwendet.
Schloss Weissenstein zu Pommersfelden
Fasanerie, Schloss Weissenstein
Ludwig und Liane Haller vor der Fasanerie, Schloss Weissenstein
Haller Wohnzimmer Fasanerie
Orangerie, Schloss Weissenstein
Haller vor der Orangerie
Haller und seine Frau lebten von seiner Berufsverfolgtenrente. Diese schien gerade zum bescheidenen Überleben und für Malmaterial auszureichen.
Haller malte mit relativ billiger Dispersionsfarbe auf Hartfaserplatten. Daß Haller Kettenraucher war, muß auch ins Geld gegangen sein. Sie besaßen kein
Auto.
Liane hatte leider den Termin versäumt, um Antrag auf Kriegsentschädigung für die verlorene Lederfabrik und andere Häuser ihrer Eltern in Dresden zu stellen.
Sie persönlich erhielt keine Rente.
Wie Haller selbst aussagte, malte er für sich und nicht, um durch Bilder Geld zu verdienen. Seine Bilder sollten lediglich Beispiele seiner Kunstphilosophie
sein. Vom Kriegsende bis 1970 hatte er ca 600 Bilder und Zeichnungen angefertigt, jedoch maximal 30 verkauft.
Er hatte also kein Geld für Ausstellungen, und damit kaum Möglichkeit, in der Öffentlichkeit präsent zu sein und als Künstler bekannt zu werden, um durch den
Verkauf von Bildern seine finanzielle Lage zu verbessern.
In seiner Seele war er mehr Kunstphilosoph und Lehrer als Maler. Seine Kunstphilosophie durch eine Lehrtätigkeit oder Veröffentlichungen in der Welt zu
verbreiten, war ihm wichtiger, als Bilder zu malen, die dem Geschmack eines Käuferpublikums entsprechen und einen zusätzlichen Gelderwerb
darstellen würden.
Als Haller im Schloss Weissenstein einzog, war er bereits 66 Jahre alt. Was sollte einmal nach seinem Tode mit dem umfassenden Bilderwerk
passieren?
Wie lange würden sie in der Fasanerie leben und er in der Orangerie samt Nebenräumen wirken und seine Bilder aufbewahren können, noch dazu, ohne Miete bezahlen
zu müssen?
Die Alternative zur Situation am Schloss wäre eine kleine, bescheidene Wohnung, ohne Atelier und ohne Lagermöglichkeit für die vielen, zumeist großformatigen
Bilder. Bei der Beendigung der Gastfreundschaft seitens des Grafen wäre ein Fiasko vorgezeichnet gewesen.
Es ist nicht nachvollziehbar, auf wessen Vorschlag es dann am 12. Juni 1972 zu einem Vertrag mit dem Grafen Dr Karl von Schönborn-Wiesentheid kam, aber dieser
Vertrag bot den Hallers eine auf Lebenszeit gesicherte Lösung durch einen großzügigen, sogar im Grundbuchamt eingetragenen Wohnrechts- und
Erbvertrag.
Nach diesem Wohnrechtsvertrag konnten Hallers bis ans Lebensende in der Fasanerie leben bleiben und die Orangerie benutzen, ohne hierfür Miete zu zahlen. Als
Gegenleistung würde der Graf einen Anteil beim Verkauf von Gemälden erhalten.
Ein separater Erbschaftsvertrag regelte, daß nach dem Ableben beider Hallers der Graf deren Erbe antreten würde. Ferner war festgelegt, dass die Kunstwerke
„nur an Museen sowie an öffentliche und private Personen verkauft werden dürfen, die eine Kunstsammlung besitzen“. Haller wollte sicher gehen, daß seine
Werke nur einem kunstverständigen Interessenkreis zugänglich waren.
Daß Haller’s die Kosten für Elektrizität, Heizung und kleinere Reparaturen etc selbst tragen mußten, war nur recht und billig.
Ludwig und Liane Haller muß an diesem 12. Juni 1972 ein großer Stein vom Herzen gefallen sein.
Haller konnte sich nun malerisch noch mehr austoben. In den ersten 6 Jahren im Schloss fertigte Haller mehr als 100 Gemälde und unzählige Zeichnungen an.
Viele malende Künstler hätten Ludwig Haller um das großräumige und kostenfreie Atelier beneidet.
Wohnrechtvertrag
Erbvertrag
Ludwig Haller und seine Frau Liane in der Orangerie, Schloss Weissenstein
Haller vor der Fasanerie, Schloss Weissenstein
Haller in der Orangerie, Schloss Weissenstein
Prof Dr Heinrich Beck
1977 lernte Ludwig Haller über eine Bamberger Familie Prof Dr Heinrich Beck kennen, der als Philosoph und Professor für Philosophie an der Fakultät Pädagogik,
Philosophie und Psychologie der Universität Bamberg lehrte. Endlich hatte Haller jemanden, der seine Kunstphilosophie verstand und mit dem er sich hierüber
auseinandersetzen konnte.
zum Video: Gespräch über Ludwig Haller mit Prof Dr Heinrich Beck am 28. Mai 2015
Haller schreibt in seinen Memoiren über die Zeit im Schloss nur folgendes:
Liane hatte kurz vor ihrem Tode im Jahre 1977 folgendes Erlebnis. Ein untersetzter Mann, etwa 45 Jahre, wollte sich die Bilder in der Orangerie ansehen.
Liane zeigte sie ihm. Darauf gab er sich als Nazi zu erkennen und sagte: die Bude sollten wir abbrennen. Er kam aus Nürnberg. Seitdem fand Liane keine Ruhe
mehr.
Noch ein Erlebnis: Vor wenigen Jahren wurde das Schloss Weissenstein renoviert. Steinmetze waren da, darunter einer von der Kunstakademie, ein Bildhauer,
der sich Geld verdienen wollte. Auch er bat Liane, die Arbeiten zu sehen. „Hm, ich würde einen breiten Pinsel nehmen und alles mit einem breiten Strich
zuziehen, dann hätte ich mich verwirklicht. „ Ein ganz harmloser Junge“ anscheinbar. Er war ganz zart, degeneriert. Redete schöne philosophische
Sätze.
Dann waren da zwei Kerle. Die waren nun wieder ernstlich von den Bildern begeistert. Von der einen Flötenspielerin waren sie so entzückt: „die spielt ja
wirklich, trotz der Abstraktion, und das darf nicht wahr sein, daß ein Mensch so begabt sein kann“, dreht sich um und will mich erstechen. „So eine
Herausforderung eines Einzelnen, der über allem steht, das darf es nicht geben.“
Dann eine Französin rasend vor Wut: „Das sind ja lauter Imitationen, „Picasso Zeichnungen“. Die dürfte es auch nicht geben.
Die Wahrheit ist: wer das Pneuma kennt und ernst nimmt, und sich noch so viel Mühe gibt, kann von den 3 Möglichkeiten nicht loskommen. Als ich das 1932 einsah
habe ich genau wie Robin zu mir gesagt: „Ich befinde mich in guter Gesellschaft“.
Weil ich glaubte, eine große Erfindung gemacht zu haben, war ich furchtbar niedergedrückt. Es war eine metaphysische Entdeckung. Zwischen Erfindung und
Entdeckung macht man heute keinen Wortunterschied. Man kennt eben bislang die gegensätzlichen Unterschiede von Kultur und Zivilisation nicht. Die
Wissenschaft muß sich weiter entwickeln.
Liane’s Tod
Am 18. Januar 1979 verstarb Haller’s Frau Liane an Leukämie. Sie wurde in Pommersfelden beigesetzt.
Liane war für Haller, der anscheinend außer Malen und Philosophieren weder andere Interessen noch Fähigkeiten besaß, das organisatorische, praktische und
finanzielle Rückgrat seines Lebens. Sie war es auch, die sich um formelle Dinge im Alltag kümmerte.
Mit dem Ableben seiner Frau fiel Haller in ein tiefes Loch. So tief, dass er monatelang nicht mehr malte. Er brauchte eine Haushälterin, um ihn zu verpflegen
und sich um ihn zu kümmern. Sein Leben war zerfallen.
Liah Falkenberg
Fünf Monate nach Liane’s Tod trat Hildegard Elisabeth (Liah) Falkenberg in sein Leben ein. Was zunächst als eine Bereicherung für Haller erschien, erwies
sich im Laufe der Jahre als ein emotionales Wechselbad und gipfelte darin, daß Haller ihr fast gefügig war, die gesicherte Wohnung im Schloss Weissenstein
aufgab, und ihr all seine Werke vermachte, die sie dann nach Australien mitnahm, in der Hoffnung, diese in Amerika für Millionen zu verkaufen und damit ihr
erträumtes Sanatorium zu finanzieren.