Haller‘s Ausführungen zu Kunst und anderen Künstlern
19. November 1982 Haller zu Renoir und Picasso
Ludwig Haller, 19. November 1982
Mit Renoir – Picasso ist es seit 35 Jahren zum Verzweifeln. Früher war das Aufbauen und Fortsetzen die größte Ehre – heute ist (es) das vernichtendste
Urteil. Herbert Read schrieb nach dem Kriege, die amerikanischen Manager hätten beschlossen, das Fortsetzen von Picasso und Renoir aus dem Kunsthandel zu
verbannen. Das war höchst überflüssig, weil das keiner auch nur annähernd konnte – aber ???? Fälschungen, die man als solche sowieso nicht erkennen konnte,
möglichst un????.
Amerika glaubt an das Immer-noch-nie-dagewesene und an die Höherentwicklung. Aber seit dem 17. November, Mittwoch nach dem Fußball Deutschland – Portugal
gibt es auch in Amerika eine Überraschung. 1. Programm – ich glaube die Sendung hieß „Bilder aus der Wissenschaft“. Dabei wurde folgendes von Amerika
erzählt: eine neue geistige Bewegung mit 30 Millionen Anhängern sei - mit Reagan an der Spitze - haben anlässlich Darwin’s 100. Todestages (sich dafür
ausgesprochen) dessen Lehre zu verbieten, der Mensch stamme vom Affen ab. Abstammung des Menschen sei eine religiöse, keine wissenschaftliche
Angelegenheit.
Die Bewegung wird RR genannt. Das Zeichen?? des Apparates konnte mir das erste R nicht verstehbar machen und das 2. R war „research“. Das ist eine
amerikanische Mentatlität. Das erste R hieß vielleicht „repetion“?? oder so ähnlich. Vielleicht kann man mit diesem neuen Markenartikel auch die
ontische Kunst, die im Ewigen ????? verläuft, erklären.
Es ist doch einfach Blech???: in jedem Kunstbuch steht zu lesen, wer auf wen „aufbaut“. Renoir kommt von Courbet (dem Maler der „Billardkugeln“), außerdem
von der Gotik (Vater – Mutter) Tindoretto nach eigener Außsage „hissegno“???(Zeichnung) von Michelangelo, Farbe von Titian (Vater, Mutter). Picasso von
Greco – Cézanne, Zeichnung von Antike – Ingres – Cézannes Vorbild: Faire Poussin devant la nature.
Die Rennaisancekünstler haben sich gegenseitig in die Bilder hineingemalt. Alle haben sie „Gipsstatiken“ der Antike kopiert. Alles das habe ich nie getan
- leider. Ich habe mich abgequält mit den durchsichtigen Konstruktionszeichnungen und dann als ich die Entdeckung vom Kunstpneuma machte, habe ich mich
gleich gar nicht um andere gekümmert. Es ist kaum glaublich: Von der Akademie auf der Brühlster Terrasse bis zu den Gemäldegalerien waren es nur wenige
Schritte über den Opernplatz. Ich bin während meines Studiums nur zweimal in den Dresdener Gemäldegalerien gewesen. Als ich im 2. Weltkrieg die
herrliche Komposition „Der Frühling“ auf einem Foto zu Gesicht bekam, wußte ich gar nicht, daß wir diesen Poussin in Dresden hatten. Da war er
natürlich wegen des Krieges in Sicherheit gebracht. Dabei kostete der Eintritt in die Museen für Studenten gar nichts! In Florenz, wo ich in der
Villa Romana wohnte, bin ich nur einmal in der Uffizi und Palazzo Pilti gewesen! Die Italiener waren mir zu süßlich.