Entartete Kunst und die verschollene Generation
Über „Entartete Kunst" und die „verschollene Generation“ der Künstler ist besonders seit der Jahrtausendwende viel geschrieben worden. Für über ein halbes
Jahrhundert von der Kunstwelt vergessen, entstand plötzlich ein besonderes Interesse gerade an diesen „verloren“ gegangenen Künstlern und deren Werken.
Einige Galerien und Kunsthändler spezialisierten sich sogar auf jenen Künstlerkreis. Sonderausstellungen an vielen Orten im deutschen und englischen
Sprachraum berührten das Interesse auch von Menschen, die sich normalerweise von Kunst nicht angesprochen fühlen. Alleine das Wort „entartet“ oder
englisch „degenerated“ weckte vielleicht die Erwartung der „Zurschaustellung“ von etwas Aussergewöhnlichem, Sensationellem, ja gar Empörenden. Man
könnte durchaus Parallelen zu den Ausstellungen der entarteten Kunst im Dritten Reich ziehen.
Ludwig Haller selbst konnte diesen Wandel des Interesses an der verschollenen Generation und deren entarteter Kunst leider nicht mehr erleben.
Zeugenaussagen weisen darauf hin, daß auch Haller zu den Künstlern gehört, auf die das Regime ein besonderes Augenmerk gerichtet hatte. Im welchem Maße das
geschah, und als wie entartet seine Werke vom Regime erachtet wurden, mag dahingestellt sein. In dem Verzeichnis der amtlich beschlagnahmten entarteten
Werke ist sein Name jedenfalls nicht vermerkt.
Da Haller nicht zum Wehrmachtsdienst einberufen wurde, hatte er die Möglichkeit, auch während des Krieges durchgehend zu malen und zu zeichnen. Sein
künstlerisches Schaffen als Hauptinhalt seines Lebens setzte sich auch nach dem Krieg bis wenige Monate vor seinem Tod fort. Es entstanden weit über
eintausend Werke.
Haller als Künstler war also ohne Unterbrechung gegenwärtig und aktiv. Die Frage drängt sich auf, warum Haller dennoch nach dem Krieg verschollen, verloren
gegangen ist. Warum hat er nie auf eigene Initiative hin ausgestellt? Warum ist er in der Kunstwelt nie vorstellig geworden, warum hat er nie versucht, auf
sich aufmerksam zu machen? Warum hat er so selten eines seiner Werke verkauft? Von dem Erlös hätte er sein eigenes Überleben sichern und Ausstellungen
finanzieren können.
War es vielleicht seine eigene Unzulänglichkeit oder Unfähigkeit, weshalb er verschollen ging, und nicht die Umstände der Zeit?